Im UKW-Contest stellt sich manchmal die Frage, wie weit kann ich meine Endstufe aussteuern, ohne dass zu viele Störungen entstehen. In Ilmenau haben wir auf relativ kleinen Raum viele Stationen und man möchte sich nicht gegenseitig unnötig stören. Die andere wiederkehrende Frage beim Aufbauen für den Contest: Sendet mein Transverter auf dem Mast überhaupt was?
Für beide Probleme ist ein kleiner Spektrumanalyzer das ideale Instrument. Ein Spektrum Analyzer ist ein Messinstrument, dass einen einstellbaren Frequenzbereich abscannt und die dort messbaren Feldstärken als Grafik aufträgt. Eventuelle Peaks kann man dann auch in ihrer Größe und der genauen Frequenz vermessen. Spektrum Analyzer waren vor Jahren teures Profi-Equipment im 10k€++ Preissegment. Jetzt gibt es auf AliExpress mehrere Typen zwischen 30 und 500 €. Ja mei, unsere Chinesen…
Bei meinem Freund Jens, DH1AKY haben ich den Tiny Spectrum Analyzer gesehen, der von 100 kHz bis 350 MHz geht und ein 2,5″ Display hat. Ein schönes Ding, aber ich wollte ein größeres Display und wenn möglich auch unsere Transverter im 13cm und 9cm-Band abdecken, also bis etwa 3.5 GHz was sehen.
So habe ich mich spontan entschlossen einen no-name 35 MHz – 4.4 GHz Spectrum Analyzer bei AliExpress zu bestellen, der dort von vielen Händlern im Preissegment von 40 – 150 € angeboten wurde. Für insgesamt 50,-€ landete also so ein Exemplar bei mir an.
Im Paket lag also der handgroße Spektrum-Analyzer und überraschenderweise eine kleine Gummiwurstantenne. Sonst nichts, auch keine Anleitung.
Das Teil habe ich also erstmal an ein USB-Ladegerät angeschlossen (USB-C) und den internen Akku aufgeladen.
In der Zwischenzeit kann man sich ja mal anschauen, was das für eine Antenne ist. Also diese an meinen Nano-VNA gesteckt. Alles passend SMA.
Aha, das ist also offensichtlich eine Antenne für PMR-446 Walki-Talkies. Passender wäre eine Breitbandantenne gewesen, die muss ich mir bei Gelegenheit noch für wenige Eur bestellen. Aber für das erste Bespielen des Teils ist die PMR-Antenne erstmal ein nettes Gimick.
Technik
Das fehlende Handbuch ist erstmal kein sonderliches Problem. Männer lesen sowieso nur selten Handbücher 😉 und beim Bespielen bekommt man schnell mit, wie es läuft.
Der Spektrum Analyzer hat keinen Touchscreen, es wird alles über den seitlichen Dreh-/Druckknopf bedient. Mitunter ist das etwas umständlich, funktioniert aber. Die Funktionalität ist dabei auch nicht wirklich groß:
- Start/Stop des Scannens
- Startfrequenz
- Bandbreite
- Offset und Verstärkung
Als erstes fällt unangenehm auf, dass sich die Span (überstrichener Frequenzbereich) bzw. die Stopfrequenz aus der eingestellten Bandbreite ergibt. Je kleiner die Bandbreite, desto kleiner die Span. Ich kann das Prinzip dahinter verstehen, da sind genau 700 Punkte auf dem Display und die Schrittweite ist eben so, dass jeder Displaypunkt ein Messpunkt ist. Dadurch bleibt die Aktualisierungsrate konstant bei ca. 800ms. Ich finde das aber trotzdem viel zu kurz gedacht, mit etwas mehr Programieraufwand hätte man das schöner und nützlicher gestalten können. Das ist so typisch Chinaware. Ein deutscher Ingenieur hätte da mehr investiert, bevor sowas auf die Menschheit losgelassen wird (sag ich jetzt mal, als deutscher Ingenieur 😉 )
Es ist nicht gleich offensichtlich, aber das Handbuch verrät, dass die “Magnification” und Offset Einstellungen direkt die Kalibrierung des Gerätes verändern. Die Kalibrierung ist bei der Mini-Hardware und dem Riesen-Frequenzbereich sowieso kaum glaubwürdig. Wer das braucht, hat aber die Möglichkeit, über ein bekanntes Dämpfungsglied (und je nach Anforderung einer bekannten kalibrierten Signalquelle) hier selbst für im interessierten Frequenzbereich für definierte Verhältnisse zu sorgen. Praktische Konsequenz ist aber, dass man nicht einfach ein schwaches Signal heraus vergrößern kann (siehe unten), ohne die Kalibrierung zu verstellen. Meiner Meinung nach gehört eine Gerätekalibrierung auch nicht in die erste Menüebene (gibt hier aber nur eine).
Wie auch schon in der X-Achse hat man auch in der Y-Achse also eine Zoom-Möglichkeit vergessen. Als Software-Ingenieur, der täglich mit ähnlichen Sachen zu tun hat, greife ich mir da an den Kopf. Der unbedarfte Hobby-ist (anders kann ich das hier nicht mehr bezeichnen) hat die gesamte Abstraktionsebene zur Darstellung der Daten eingespart. Eh, das ist kein Bastelprojekt (oder doch?), das Teil wird offensichtlich in Massenfertigung produziert.
Erste Tests
Als Testgerät habe ich kurzerhand mein Baofeng UV-5 Dual-Band Handy genommen.
Prima, die Sendefrequenz sieht man als deutlichen Spike (siehe erstes Bild). Das Teil funktioniert schonmal prinzipiell. Die Breite des Spikes mutet aber visuell zu groß an. Die eingestellte Bandbreite von 100kHz ist jedenfalls nicht plausibel. Dazu unten mehr. Vermutlich ist die Leistung über die PMR-Antenne auf dem 70cm Band durch das gleich daneben befindliche Handy doch deutlich zu groß. Das ist aber alles prinzipiell weniger schlimm.
Deutlich unschöner: Wenn mein Baofeng im 70cm-Band sendet, sehe ich auf dem Spectrum Analyzer auch bei etwa 150MHz Nadeln. Sollte das Baofeng da solche Nebenaussendungen produzieren? Das wäre ganz schön frech.
Also vergleichen wir die Sache mal mit einem richtigen Spektrumanalyzer der 20k€ Klasse, einem Rhode&Schwarz FSL. Dort ist bei 150 MHz nichts zu sehen. Der Schuldige ist also der kleine Spektrum Analyzer, der hier offensichtlich irgendwelche Spielgelfrequenzen sieht. Das ist nun echt unschön, wenn auch bei der billigen Spar-Hardware jetzt nicht so unerwartbar. Ich habe auf der Ham-Radio-Messe mal einen Bierabend mit dem Entwickler des FSL-Eingangsteils am Biertisch verbringen dürfen 🙂 Auf jeden Fall kann ich sagen, dass hier der Aufwand auf einem mehrere Größenordnungen anderen Niveau liegt. Insofern sollte man die Erwartungen an das Chinawunder schon sehr klein halten. trotzdem, unschön ist das schon.
Nächster Versuch, ich will meinen IC-9700 mit meiner Yagi auf dem Dach auf 144MHz senden sehen. Dazu nehme ich erstmal eine auf 144 MHz resonante Antenne für den Spektrum Analyzer. Trotzdem sehe ich nur einen sehr zaghaften Peak. Das Teil ist also recht unempfindlich, was eigentlich fast klar ist.
Um dennoch was zu sehen, kann man im Menü die “Magnification” erhöhen (siehe oben). Also auf deutsch, die digitale Verstärkung aufdrehen. Leider bewegt sich dadurch auch der Rauschpegel. D.h. das Signal verschwindet völlig vom Bildschirm. Mit den Offset-Einstellungen kann man das Signal dann wieder holen. Mit etwas Hartnäckigkeit bekommt man so iterativ doch das Sendesignaldes IC-9700 gut abgebildet.
Wieder ärgerlich ist an dieser Stelle, dass es einem die Software durch völliges Fehlen jeglicher Eigenintelligenz so schwer macht. Es wäre durchaus möglich, den Offset automatisch anzupassen und nur die Skala entsprechend zu ändern. Dann könnte man die Empfindlichkeit des Gerätes über die Magnification leicht den Gegebenheiten anpassen.
Internas
Dieser Spektrum Analyzer wird auch als nackte Leiterplatte ohne Gehäuse, Display und Akku verkauft. Dort wird auch auf eine Windows-Software für die Benutzung verwiesen, dich ich aber noch nicht gefunden und damit noch nicht getestet habe. Die Leiterplatte und das Handbuch (Google Suche: “ltdz spectrum analyzer manual”) geben etwas Einblick in die Internas.
Der Kern des Spektrum Analyzers ist ein ST-Mikroprozessor mit ARM-Kern. Dieser steuert den Tracking-Generator, einen ADF4351, der den nutzbaren Frequenzbereich von 35 – 4400 MHz vor gibt. Anscheinend gibt es keinen Eingangsverstärker, das Eingangssignal und der Tracking-Generator treffen sich direkt an einem Mischer. Hinter dem Mischer sitzt ein Detektor und danach ein AD-Wandler. Die angegebenen 90dB Dynamik passen gut zu einem 16-bit ADC. Der Detektor soll laut Handbuch eine feste Bandbreite von 500 kHz haben.
Dem Preis geschuldet, muss man also mit den folgenden Nachteilen leben:
– Der fehlende Eingangsverstärker macht den Spektrum Analyzer recht taub. Im Handbuch wird darauf verwiesen, ggf. einen externen Verstärker vorzuschalten. Diese gibt es auch für wenig Geld, aber im portablen Feldeinsatz dürfte das ehr unkomfortabel sein. Aber für feste Anwendungen könnte man hier zusammen mit einer passenden Antenne was bauen können.
– Natürlich gibt es auch kein zuschaltbares Dämpfungsglied, dass bei starken Signalen auch sinnvoll wäre.
– Es ist hardwareseitig nur eine feste Bandbreite des Detektors von 500kHz vorhanden. Die softwareseitig einstellbaren niedrigeren Stufen sind in der Hardware nicht unterstützt. Unter Umständen ist das oben geschilderte Spielgefrequenzproblem dadurch verursacht. Auf jeden Fall aber der zu breit erscheinende Peak des Baofengs. In teuren kommerziellen Spektrum analyzern treibt man an dieser Stelle auch einen unvorstellbar größeren Aufwand.
– Es fehlen natürlich auch alle Maßnahmen, um den Frequenzgang der Analogschaltung zu kompensieren. ein wenig wird das über Software ausgeglichen, die dazu im Menü verfügbaren Parameter sind sehr rudimentär beschrieben.
Zusammenfassung
Das hier waren die Eindrücke von einem ersten recht kurzem Test. Mit der Zeit wird man damit vermutlich noch besser warm werden und was es für die eigentlich vorgesehene Anwendung bringt, muss man auch erstmal sehen.
Die PC-Software dazu habe ich noch nicht gesucht und probiert. Das kommt sicher noch.
Für 50,-€ sollte man nicht zu viel verlangen und zunächst ist der Spektrum Analyzer auch ein tolles Spielzeug. Die Hardware ist echt minimalistisch. Das ist erstmal für den Preis OK, aber für das doppelte Geld hätte man den zehnfachen Nutzen heraus holen können. Die Software ist aber auf Dilletanten-Niveau und enttäuscht an mehreren Punkten. Das ist richtig ärgerlich. Vielleicht verbessert sich die noch. Theoretisch sollte sich der St-Prozessor updaten lassen, aber es ist unklar und völlig, ob da nochwas nach kommt.
Ich mag das Teil deshalb nicht zum Kauf empfehlen, weiß aber nicht, ob es in der Billigklasse tatsächlich etwas besseres gibt, was meinen Anwendungsfall abdecken würde.
Sollte sich jemand trotzdem zum Kaufen entschließen: Dieser Spektrum Analyzer wird von vielen chinesischen Händlern in vielen Versionen (nackte Leiterplatte, Gerät ohne und mit Akku, ggf. mit unterschiedlichem Zubehör) angeboten. Man muss sehr aufpassen. Die gleiche Variante wie hier beschrieben aber OHNE Akku habe ich auch schon zum doppelten Preis gesehen.
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